Türken
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in Ereignis von höchster politischer und militärischer Bedeutung mit gesamteuropäischer Auswirkung war im 17. Jahrhundert der sogenannte Kretische Krieg. Dabei ging es um die Behauptung der letzten christlichen Bastion im Osten, da Zypern schon 1570 an das Osmanische Reich gefallen war. Durch eine Wirtschaftskrise bedingt ruhte die Verteidigung Kretas weitgehend auf einer einheimischen Volksmiliz. Der Krieggrund war für die Türken leicht gefunden:
Als nämlich ein Piratenschiff des in Malta residierenden Johanniter Ordens ein Schiff mit muslimischen Mekkapilgern überfiel, behaupteten die Türken, die Beute sei in Chania den Kretern übergeben worden. Dies wurde von venezianischen Historikern auf das heftigste bestritten. Vielmehr wurde darauf hingewiesen, dass die Türken lediglich einen Kriegsgrund suchten. Diesmal war es Piraterie, wie seinerzeit bei den Römern.
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nter Jusuf Pascha brach eine türkische Flotte mit 100 Kriegs- und 350 Frachtschiffen zu Beginn des Sommers 1645 nach Kreta auf. Dazu kamen 50 000 Soldaten inclusive Janitscharen unter Musha Pascha. Diese Flotte kam am 23.6.1645 beim Koster Gonia in Kolimbari an, ohne hier auf Widerstand zu stoßen. Dann griffen die Türken die befestigte Insel Thodoros bei Platanias an und eroberten sie. Noch am Nachmittag begannen die Türken mit der Eroberung von Chania, das am 22. August trotz heldenhafter Gegenwehr erobert wurde. Nach und nach brachten die Türken ganz Kreta unter ihre Herrschaft, bis sie im September 1669 auch in Heraklion (Megalo Kastro) siegreich einziehen konnten. Die türkische Eroberung unterbrach endgültig die Hochblüte der kretischen Renaissance.
Neben dem wirtschaftlichen Niedergang wurde die Orthodoxe Kirche neu organisiert, nachdem der Katholizismus zurückgedrängt war. Diese übernahm wie in anderen griechischen Gebieten die geistige und ethnische Führung des Volkes. Zunächst behielten die Türken das venezianische Verwaltungssystem bei; schon bald aber bildete das Elajet Kreta die drei Bezirke Heraklion, Rethymnon und Chania mit je einem Pascha (Sandschak Bey) an der Spitze. Die türkische Herrschaft erwies sich bald als Joch für die Kreter. Den Grundstückseigentümern wurden schwerste Steuern auferlegt. Was geschah mit den Dörfern, wie etwa Gribiliana?
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ährend der öffentliche Grund der Venezianer vom Sultan übernommen wurde, wurden andere Liegenschaften an Würdenträger mit Verdiensten
um den Krieg übertragen. Kleinere Lehen gingen an Offiziere im Hinblick auf die Verantwortung für Ordnung und Sicherheit über.
Christlichen Grundeigentümern kam nun oft die Funktion von Leibeigenen zu oder sie mussten eine hohe Grundsteuer (20 %) bezahlen. Dazu kam, dass auch die Kirche Steuern zahlen musste, was wiederum die Bevölkerung traf. Dazu kam noch eine Kopfsteuer als Hauptsteuer.
Der härtere Druck als in anderen griechischen Gebieten mag wohl viele Kreter dazu bewogen haben zum Islam überzutreten. Bei Einzelpersonen mag auch der Hintergrund der Erhaltung von Privilegien und Grundeigentum eine Rolle gespielt zu haben. Gerade dort, wo der Druck auf die Bevölkerung am stärksten war, traten ganze Dörfer samt Priester zum Islam über. Diese konvertierten Muslime bildeten die starke Gruppe der Türkenkreter, die nach Herkunft, Sprache und Sitte Kreter waren. Daneben gab es noch (eher wenige) Kryptochristen, die sich nur nach aussen islamisiert zeigten, innerlich aber Christen blieben. Agas und Beys waren vielfach Janitscharen.
Neben wichtigen politischen und militärischen Ereignissen trafen in historischen Zeiten auch immer wieder Krankheiten die Kreter sehr hart.
So schildert der aus Böhmen stammende Franz Wilhelm Sieber, der 1817 Kreta bereiste seine Ankunft in Chania wie folgt:´Kaum war ich im Hafen an Land getreten, als mir schon der österreichische Dolmetscher entgegentrat und berichtete, dass heute sich seit mehreren Monaten zum erstenmal wieder die Pest gezeigt habe, und mich ersuchte, besonders Landleuten nicht auf der Straße nahe zu kommen oder sie zu berühren, da im westlichen Teil der Insel, in der Gegend von Kissamo solche noch wüte und täglich zwanzig und mehr Personen daran stürben.´
Hafen von Chania
Bauten die neuen Herren in äusserst provokanter Weise die Janitscharenmoschee. Die sehr gefürchteten Janitscharen waren nämlich eine Truppe, die aus einst christlichen Soldaten bestand, die noch im Kindesalter den Eltern weggenommen und zu fanatischen Muslims erzogen wurden. Mit der Zeit bekam selbst das osmanische Regime gewaltige Probleme mit den Janitscharen.
Mehr Info zur Janitscharen Moschee in Chania.
Mehr Info zur Janitscharen Moschee in Chania.
Das Kloster Gonia
Kloster Gonia von Norden. Hier begannen die Türken 1645 mit der Eroberung Kretas.
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er große Aufstand in Griechenland ab 1821 fand auch in Kreta seine Entsprechung, wurde jedoch 1824 von den türkisch – ägyptischen Truppen endgültig niedergeschlagen. Griechen, aber auch die besonders gefürchteten Janitscharen wurden danach eindrücklich darauf hingewiesen, die jeweilige andere Seite nicht zu belästigen. Doch schon 1825 beschlossen auf den Peloponnes geflüchtete Kreter den Befreiungskampf wieder aufzunehmen. Den Revolutionären gelang es durch geschickte Züge die Inselfestung Gramvousa sowie Kastelli (Kissamou) zu erobern. Diese Revolutionäre von Gramvousa betrieben zu ihrem Unterhalt Seeräuberei gegen türkische, aber auch europäische Schiffe.. Auch der Urgroßvater des international bedeutenden kretischen Literaten Nikos Kazanzakis soll Seeräuber auf Gramvousa gewesen sein, wie Kazanzakis in seinen Memoiren beschreibt.
In dieser Zeit weist uns eine Quelle wieder auf Kolimbari hin, da die Partisanen bzw Piraten von Gramvousa auf Vorschlag des Abtes des Klosters Gonia die Kirche Panaghia Klefterina (Beschützerin der Diebe bzw Seeräuber) errichteten. Die Revolution in Kreta kam wieder in Gang.
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enn man von den Berichten ausgeht, dass die Türken damals auf die drei Städte zurückgedrängt waren, können wir durchaus annehmen, dass auch die Türken aus der Metochi von Gribiliana Zuflucht in Chania gesucht haben.
Da die Piraterie von Gramvousa nicht im Sinne der griechischen Regierung lag, entsandte der griechische Ministerpräsident Kapodistrias einen englisch – französischen Flottenverband dorthin, der die Schiffe der Piraten zerstörte und die Festung einem englischen Obersten übergab.
Nach einem blutigen und grausamen zehnjährigen Kampf war es nicht gelungen Kreta an Griechenland anzuschließen. Die Insel blieb über englischen Druck hin osmanisch.
Bis 1866 folgte eine relativ friedliche Zeit, für die allerdings das Verhältnis der beiden Bevölkerungsgruppen nach der Aussage eines
Reisenden bezeichnend ist. C. Rochfort Scott schrieb nämlich 1834, daß nichts so stark Getrenntes in Charakter und Benehmen der Bewohner Kretas existiert wie der Umstand, daß die Türken Türken und die Kreter vielmehr Griechen seien.
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anach kam es zur großen Kretischen Revolution von 1866 bis 1869, in welcher auch Kolimbari in das Blickfeld der Geschichte trat. Denn die vorläufige Regierung Kretas nahm im Kloster Gonia 1868 ein tragisches Ende. Die meisten Mitglieder fanden bei einem überraschenden türkischen Angriff den Tod.
Nicht zuletzt wegen des Umstandes, dass die europäische Diplomatie auf Seiten der Türken stand, fand die Revolution 1869 ihr Ende.
Im Gefolge des russisch – türkischen Krieges 1877 kam es zum Wiederaufleben des kretischen Freiheitskampfes. Die türkische militärisch schwache Position ließ die Besatzungsmacht etwas milder werden, indem Kreta mit der Konvention von Chalepa 1878 einen halbautonomen Status zugestanden bekam.
Die Familie Fridakis
War in Westkreta von erheblicher Bedeutung. Hier Kapitän Kyriakos Fridakis 1866, gezeichnet von Xenophos aus Gribiliana (Phantasiezeichnung)
Kretischer Widerstandskämfer
Ioannis Stafilarakis, gezeichnet von Xenophos aus Gribiliana (Phantasiezeichnung).
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n der letzten Phase der ´Turkokratia´ , wie in Kreta die türkische Besatzungszeit bezeichnet wird, tritt Kolimbari neuerdings ins Rampenlicht der Geschichte Kretas. Denn um der Unterstellung Kretas unter eine internationale Besatzung zuvorzukommen, sandte die griechische Regierung 1897 unter dem Obersten Timoleon Vassos ein 1500 Mann starkes Kontingent nach Kreta. Vassos ging am ersten Februar in Kolimbari an derselben Stelle, an der einst die Türken die Eroberung Kretas begannen, an Land und rief die Vereinigung mit Griechenland aus.
Nach dem erfolglos geführten griechisch – türkischen Krieg von 1897 musste Griechenland seine Truppen aus Kreta zurückziehen. So hatte man den ursprünglich abgelehnten Plan einer Autonomie Kretas im Rahmen des Osmanischen Reiches zu akzeptieren. Die Großmächte setzten den griechischen Prinzen Georg als Gouverneur ein.
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er Name Prinz Georg ist mit Kolimbari in einer nebensächlichen Rolle verbunden. Während eines Aufenthaltes im äussersten Westen Kretas genoss er nämlich Gastfreundschaft im Hause der vermögenden Familie Konstantinos Fridakis in Gribiliana. Familienoberhaupt der Familie Fridakis im klassischen Sinne war der Mitte des 19. Jhdts geborene königstreue Konstantinos Fridakis, der in der Familie das Sagen hatte. Er wurde ca 80 Jahre alt. Dessen Brüder Iraklis und Stelianaki hatten ebenfalls zweistöckige repräsentative traditionelle Häuser aus der Venezianerzeit in Gribiliana.
In Heraklion kam es am 2. November 1898 zu einem letzten türkischen Massaker, welches letztlich die Ursache war, dass nun die türkische Verwaltung samt dem Militär Kreta verlassen musste. Am 9. Dezember 1898 landete Prinz Georg als Gouverneur in Souda. Georg führte den Titel ` YPATOS ARMOSTIS KRITIS` (Oberster Gouverneur Kretas).
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er Kreter Eleftherios Venizelos (1864 – 1936) war der bedeutendste Staatsmann Griechenlands in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Er war insgesamt über zwölf Jahre Premierminister.
Sein besonders Verdienst galt der Idee der Vereinigung Kretas mit dem griechischen Mutterland
Als Kreta 1898 die Autonomie erlangte, beteiligte sich der gelernte Rechtsanwalt wesentlich an der Ausarbeitung der kretischen Verfassung und wurde Mitglied der kretischen Regierung.
Sein starker Einsatz für die Enosis, die Vereinigung mit Griechenland, brachte ihn immer mehr in den Gegensatz zu Prinz Georg, welchem es an Gespür für Kreta fehlte.